Steht nach der Pandemie ein Revival der Roaring Twenties an? Wie wars damals, wie ist es heute? Vom Lebensgefühl, der Mode, der Rolle der Frau, damals und heute.

Die Erwartungen an die Post-Corona-Ära steigen

Im mehr oder weniger durch geimpften Israel ist das kulturelle Leben wieder erwacht, Bars, Restaurants und Clubs stehen offen. Pessach wurde - wie vor Corona - mit grossen Familienzusammenkünften gefeiert. Parallel zu den Feierlichkeiten schliessen die israelischen Spitäler langsam aber sicher eine Corona Abteilung nach der anderen.

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Lesend schnuppern wir den verführerischen Duft der alten Freiheiten und erwarten sehnsüchtig  die Rückkehr des "Socializens". Wie und wann ist es bei uns soweit? Steht uns bald ein Jahrzehnt prallen Lebens bevor? Kommen die Roaring Twenties mit aller Wucht zurück? Wiederholt sich Geschichte? Ja, irgendwie glaube ich das. Auch wenn heute vieles komplett anders ist, gibt es doch Parallelen.

In den 1920er Jahren sorgte das Ende des ersten Weltkrieges und das Überstehen der spanischen Grippe für Aufbruchstimmung.  Die neuen technischen Errungenschaften wie Auto, Flugzeug, Radio, Telefon, Stummfilm und erste elektrifizierte Haushaltsgeräte versprachen mehr Wohlstand für alle.  Alles schien möglich. Das kulturelle Leben und die Börse boomte. Jazz war die Musik der Stunde. Das in vielen Ländern eingeführte Frauenstimmrecht läutete zudem auch für das weibliche Geschlecht das Zeitalter der Moderne ein. Die ersten IT-Girls, die Flapper, waren geboren.

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Sie rauchten und tranken in der Öffentlichkeit, trugen Lippenstift und Wangenrouge. Sie befreiten sich von ihren engen Korsetts und tauschten sie gegen bequem fallende Kleider, die taillenlos und locker um die Hüfte schwangen, damit der Charleston auch getanzt werden konnte, wie er es verdiente.

Die Flapper badeten in kurzen Kleidern, feierten und fuhren selber Auto. Die alten Zöpfe fielen den aufmüpfigen Bubiköpfen zum Opfer. Geflirtet wurde was das Zeug hält, geflucht ebenso, die Generationen trennende Jugendsprache mit eigenem Flapper-Slang nahm ihren Anfang.

Bild & viel mehr zur Aera der Flapper auf dem Stummfilmblog: silentology

Und heute? Hundert Jahre später: Die 20er Jahre sind eben angebrochen, das feministische Revival ist seit #metoo in vollem Gang. Und auch die Teenie-Generation der 2020er pflegt ihre eigene Sprache und weist die immerzu nervenden Eltern (grosszügig Boomers genannt, auch wenn wir doch der Generation x angehören) mit gefühlt tausend täglichen "Chill mal" in ihre Schranken. Textnachrichten mit Smilies abzuschliessen ist 2021 bereits "total lame", Memes lösten sie ab. Nicht, dass ich die drauf hab, aber egal.

Auch "Fashiontechnisch" gesehen erinnert einiges an die 1920er. So sind die kurzen Pagenköpfe zurück, die Perlenketten erleben gerade den zehnten Frühling und nach Jahrzehnten mit Wonderbra und  Jean-Paul-Gauthier-Parfum-im Korsett-Flacon werden auch die BHs wieder bügelfrei und anschmiegsam wie eine zweite Haut. Frau entledigt sich der hautengen Skinny Jeans und schlüpft in Boyfriend-Versionen. Oder sie trägt die Hose"high waist" mit Schlag. Auch Jacken, Mäntel und Hoodies gibts vor allem oversized zu kaufen. Und wenn ich oversized sage, meine ich oversized. Ein Teil füllt bereits die ganze Waschmaschine aus. Frau raucht und trinkt seit 1920. Frau fährt Auto und Velo ohne für grosses Aufsehen zu sorgen. Im Gymi kriegen Mädchen genauso viele Toiletten zugesprochen wie Jungs...aber auch dies ist noch keine Selbstverständlichkeit, denn die männliche Petition zwecks Rückeroberung derselben ist bereits eingereicht.

Das im neuen Jahrtausend angebrochene digitale Zeitalter wurde durch die Pandemie arg beschleunigt und der Umbruch von Wirtschaft und Gesellschaft ist in vollem Gang. Leider stehen dabei längst nicht alle auf der Gewinnerseite.

Und dennoch, in vollen Zügen im Heute Leben, wieder Reisen, das Meer sehen, Freunde treffen, neue Freundschaften schliessen, feiern, es mal krachen lassen. Ich würde lügen, zu behaupten, dass ich mir das nicht wünschte. Für mich, für die Kids, für die Alten und die Jungen. Für uns alle.

Die Rahmenbedingungen für ein Revival der Roaring Twenties scheinen bereits rundum gut erfüllt. Nun muss nur noch die Impfoffensive offensiver werden und dann, dann hat es mit der Vernunft eine Ende, glaube ich...

Wir werden sehen.

Irgendwie fängt irgendwann ,
Irgendwo die Zukunft an.
Ich warte nicht mehr lang.

Old Song, aktueller Text: Irgendwo, irgendwie, irgendwann fängt die Zukunft an.

Flapper: Beim Ursprung des Begriffs "Flapper" sind sich die verschiedenen Quellen nicht so einig. To flapper heisst zu deutsch flattern. Die Rede ist von jungen Frauen, die ähnlich junger Vögel mit ihren Flügeln flattern und bald flügge werden, um das elterliche Nest zu verlassen. Es flatterten aber auch die Sandalen an den Füssen, deren Riemchen aus Trendgründen nicht geschlossen wurden, wie auch die Röcke beim Tanzen um die Knie flatterten. Das die jungen Frauen auch als flatterhafte Wesen bezeichnet wurden, lassen wir aussen vor.


Movies & Serien zu den roaring twenties gibts viele auf Netflix, hier nur zwei herausgepickt:

Film zum Thema, dass in den Roaring Twenties doch nicht alles besser war: Midnight in Paris (2011)

The Great Gatsby zu streamen auf Netflix: