Bis zu den Nuller-Jahren war eine Amerika-Reise auch immer ein ergiebiger Trend-Scouting-Trip. Neue Produkte präsentierten sich dem europäischen Touristen im Food & Non Food Bereich, in den Medien, in Ausstellungen, in Restaurants etc. quasi auf dem Silbertablett.
Seit das "World Wide Web" zum "World Wide Shopping Web" wurde, und Social Media unser Verhalten clusterweise prägt, lenkt und standardisiert, gehen Trends im Minutentakt global. Strohfeuer um Strohfeuer; im Tik Tok Modus, 15 Sekunden Fame und der nächste Hype schwappt über den Globus. Neues bleibt nicht lange neu und unentdeckt. Aber, es gibt sie noch die Trends, die hier so noch nicht gelandet sind. Fündig wird man, wenig erstaunlich, eher in Verhaltenstrends als in Produkttrends.
Trend 1: Fotoechte Werbe-Murals im XXXL Format
An guter Lage in Manhattan und Williamsburg weichen tristen Backsteinwänden sogenannten Murals, fotoechten Fassadenmalereien im XXXL-Format. Auftraggeber sind mehrheitlich grosse italienische Modelabels, die ihre Anzeigensujets von Fassadenmalern auf die Wände applizieren lassen.
Zwei Wochen benötigen zwei Künstler für ein aufwendiges Mural. Als Vorlage dient Ihnen bloss das gedruckte Inserat im Magazinformat. Unglaublich, aber wahr. Einen Monat bleibt das Sujet an der Fassade "hängen", dann kommt das nächste. Für die Künstler, haben wir uns sagen lassen, ein guter Broterwerb.
Trend 2: New York kommt auf den Hund
Die Franzosen stehen schon lange drauf, im geburtenschwachen Italien sind mir die Hund & Herrchen Paare mit vierbeinigem Kinderersatz ebenfalls längst aufgefallen. Nun sind die treuen Begleiter und Beschützer (viele Stadtneurotiker haben Kampfhunde) auch in New York angekommen. Für mich ehrlich gesagt schwer nachvollziehbar in NYC einen Hund zu halten. Aber es machte auf jeden Fall den Anschein, als sei es für Singles mit Paarungsabsichten äusserst zielführend einen Hund an der Leine Gassi zu führen. 1:1 Bekanntschaften haben nach wie vor ihren Reiz und das ist gut so.
Trend 3: Do what influencers do.
Instagram und Tik Tok sind die City-Guides der Jugend. Diese Erkenntnis ist natürlich nicht neu und schon gar nicht auf New York beschränkt. Aber das Vertrauen in Likes und die Spezies Influencer ist einfach unglaublich hoch. Schon fast fahrlässig, wer heute als Unternehmer einen Teil seines Marketingbudgets nicht in passende Influencer investiert. Doch auch Teenies merken beim Realitätscheck vor Ort relativ rasch, bei wem und wo geschürte Erwartungen erfüllt werden und wo eben nicht. Authentizität dürfte sich deshalb mittelfristig immer noch durchsetzen.
Trend 4: Werde zum Influencer für Deine Freunde, denn was Dir gefällt, gefällt wahrscheinlich auch Deinen Freunden.
Je digitaler wir werden, umso mehr muss man bekanntlich als Kunde selbst erledigen. Reiseziele definieren, eine Vorauswahl treffen, Flüge checken, Hotels buchen, Restaurant-Reservationen tätigen, Events finden, anmelden, einloggen, Formulare ausfüllen, bestätigen, bezahlen etc. es nimmt kein Ende. In dieser unglaublichen Fülle administrativer Begleitmusik geht doch nichts über die Empfehlung und die Erfahrung guter Freunde im Geschmack und Geiste. Postet Eure besten Tipps und miesesten Don'ts, Eure Freunde werden es Euch danken.
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Trend 5: Wird NYC zum Fahrrad-Mekka?
Der Trend zum Fahrradfahren macht auch vor NYC nicht halt. Es gibt eine NYC-Bike Map und gefühlt viel weniger Verkehr als früher. Wie viele andere Städte will auch die Stadt New York ihr Cycling Angebot ausbauen, wenn doch noch ein bisschen zögerlicher als anderswo (siehe: Cycling Offensiven).
Über die Gründe für die lichteren Strassenschluchten New Yorks kann ich nur rätseln. Scheinbar haben viele Firmen während Corona New York City verlassen und sich auf günstigerem Boden in anderen Staaten niedergelassen. Die Firmen, die blieben, bekunden Mühe, die Leute zurück ins Büro zu kriegen. Es fehlt den Angestellten an repräsentativer Garderobe und an Geld für den inflationsbedingt teuer gewordenen Lunch. Weniger Verkehr = mehr Raum für Fahrradwege? Vielleicht erhält der Trend zum Fahrradfahren gerade ein bisschen unverhofften Rückenwind.
Trend 6: Reuse, Renew, Recycle
Die Abfallberge türmen sich gerade an New Yorks Strassenrand. Wen wunderts, der Verschleiss an Verpackungsmaterial ist immens. Das kriegt man selbst als Tourist mit. Nicht nur Besucher stossen sich an der Wegwerfmentalität, auch viele New Yorker reicht es. An der Wohnungstüre unseres Airbnbs stand denn auch gross geschrieben "no plastic behind this door".Dementsprechend absolut nachhaltig war der Verbrauch von Seifen, Geschirrspülmittel etc. organisiert. Supermärkte schreiben Lebensmittel abends runter und versehen sie mit dem Sticker "to-good-to-go". Second Hand Klamottenläden sind - wie in Europa auch - wieder angesagt.
Und dennoch muten diese Bestrebungen immer noch wie ein Tropfen auf den heissen Stein an. Es ist ein Schwanken zwischen zwei Extremen, dem totalen Überfluss und dem absoluten Verzicht. Dass die Minimalismus Bewegung in Amerika ihren Ursprung hat, erstaunt deshalb wenig. Als Europäer stösst man sich an diesem hemmungslosen Konsum und ist stolz auf das bereits erreichte hierzulande. Im Vergleich zu den USA fühlt es sich an, als wären wir beim "weniger ist mehr" bereits auf der Schlussgeraden angekommen, während die Amis gerade mal in den Startpflöcken stehen.
Trend 7: Social Rooftop Gardening
Nach dem Hype um die Rooftop Bars, folgen die Rooftop Gardens. Auf Dächern wird gemeinsam Gemüse gepflanzt, Bienenvölker werden gezüchtet, brache Hinterhöfe werden begrünt und es wird zwischen schattenspendenden Stauden Kaffee getrunken. Restaurants kultivieren Kräuter und Löwenzahn in Blumenkisten auf ihren Terrassen.
Der Battery Park erwacht zu neuem Leben und der High Line Park mit all seinen Sitzgelegenheiten wurde von niemanden anderem als von meinem momentanen Gartenidol Piet Oudolf gestaltet.
New York wird in Mini-Schritten grüner und lebenswerter. Und damit zeigt sich einmal mehr, dass Veränderungen stets im Kleinen ihren Anfang nehmen. Dass jeder Schritt zählt. Dass jedes Projekt einen positiven Impact auf die Menschen in seiner Umgebung hat. Und dass ein Trend entsteht, sobald die Projekte sich zu summieren beginnen.
Weitere Trends, wie das Schlange stehen, die Individualisierung des Massenmarktes, die amerikanische Erlebnis-Kultur und das Planen im digitalen Zeitalter fast alles ist, findest Du hier:
Und zum Schluss noch dies: Kein Trend ohne Gegentrend
Durch die Folgen von Corona, den internationales Handelsstreitigkeiten und des Ukrainekriegs stösst die Globalisierung an ihre Grenzen. "Think local, Act local" ist deshalb in vielen Bereichen wieder angesagt. Und wer weiss, vielleicht entsteht gerade durch die zwangsweise verordnete Abkehr vom Globalen und die Rückbesinnung aufs Lokale ein guter Nährboden für Neues, Eigenes und Anderes. Ein Humus für Trends, die dann häppchenweise von verschiedenen Ländern & Märkten adaptiert werden.